Als Nürnberg den Radsport beherrschte

Bis in die 80-er Jahre dominierten fränkische Athleten

Von Loeffelholz, Burkhardt und Flögel im Gespräch

Der Nürnberger Straßenradsport hat eine große Tradition. Profi Georg Umbenhauer (1936), die Amateure Fritz Scheller (im gleichen Jahr) und Karl Kittsteiner (1940), Kittsteiner (1946) und Georg Voggenreiter (Schwalbe Nürnberg, 1947) als Profis sowie Heinrich Rühl als Amateur (1947) errangen den deutschen Titel. In ihre Fußstapfen trat Jürgen Goletz (1964), ehe die Fahrer der 1973 gegründeten RSG Katzwang, deren Aushängeschilder bis dahin Klaus Burges und Gerhard Scheller waren, zwischen 1976 und 2001 eine beispiellose Erfolgsserie hinlegten. Sie wurde 1976 eingeleitet vom Trio Friedrich von Loeffelholz, Dieter Burkhardt, Dieter Flögel. "Das war einmalig", sagt von Loeffelholz im Rückblick. Er verpasste bei den Olympischen Spielen 1976 in Montreal mit dem Vierer auf Rang vier Bronze nur um 13 Sekunden und wurde 1978 erstmals Deutscher Meister. Ihm folgten, als aus der RSG Katzwang die RSG Hercules geworden war, Hans Neumayer (1980), Dieter Burkhardt (1982), Dieter Flögel (1983), Thomas Freienstein (1984), Werner Stauff (1986), Steffen Rein (1991), Stephan Gottschling (1992) und Bert Dietz (1993). Innerhalb von 16 Jahren standen neun verschiedene Nürnberger Fahrer auf dem höchsten Podest.

"Der Radsport war mein Leben," meint der heute 56jährige "Radbaron", der 1980 im Alter von erst 25 Jahren seine Karriere beendete. Für den jetzt 57 Lenze zählenden Dieter Flögel war 1984 Schluss, Dieter Burkhardt (heute 55) saß bis 1986 im Sattel."Wir waren bereit, in jedem Rennen bis zum Anschlag zu fahren und Teamarbeit zu leisten," erinnern sich Burkhardt und Flögel. Wir betrieben unseren Sport professioneller und konsequenter als die Konkurrenz und setzten uns im Rennen immer Ziele. "Es hat sich ausgezahlt, dass wir getreu dem Motto an den Start gingen: "Lieber einen schlechten, als gar keinen Plan", so Burkhardt. Alle drei, die den ersten deutschen Titelgewinn 1979 mit dem Vierer als unvergessliches Erlebnis bezeichnen, sind auch beruflich ihren Weg gegangen. "Die Erfahrungen als Hochleistungssportler halfen uns," sagen sie unisono.

Der spurtstarke Burkhardt, der 1976 aus Dittelbrunn zur RSG gekommen war, blieb auch nach dem Ende seiner Karriere dem Radsport verbunden. 16 Jahre lang war er Marketingleiter bei Hercules, gleichzeitig sportlicher Leiter und Teammanager bei der RSG und beim 1996 ins Leben gerufenen Nürnberger Profiteam. 2003 übernahm er ein Radsporthaus an der Ecke Oedenberger/Danziger Straße, bietet dort mittel- bis hochpreisige Räder an. Er beobachtet zuweilen seinen 23jährigen Sohn Holger, der seit sieben Jahren Rennen fährt, wenn dieser als Mitglied des Profirennstalls Champion Systems in Mitteleuropa an den Start geht. "Dabei sehe ich den Unterschied zwischen unserer Zeit und heute. Während wir als Amateure gutes Geld verdienten, zumal es damals noch Startprämien gab, besteht der Großteil der heutigen Profis aus mehr oder weniger armen Schluckern." Deshalb legt sein Filius auch Wert auf eine Berufsausbildung, studiert nebenbei in Nürnberg BWL.

Dieter Flögel, aus Hafenlohr stammend, war schon 1975 zur RSG gestoßen, um in Nürnberg zugleich Wrtschaftspädagogik zu studieren. Ein Jahr nachdem er bei der WM 1983 in Prag hervorragender Fünfter geworden war, sagte er dem  Spitzensport ade, bestritt noch Kriterien und Steherrennen. 1985 gründete er mit seinem Schwager in Bamberg ein Wohnbauunternehmen, dem der in Bubenreuth wohnhafte Unterfranke auch heute noch angehört.

Friedrich von Loeffelholz war lange Zeit in Scheinfeld zu Hause, wohnt nach privater Veränderung in Schweinfurt. Dort unterrichtet der promovierte Maschinenbau-Ingenieur als Professor an der Fachhochschule angehende Wirtschaftsingenieure. Nach einem Schlaganfall, ausgelöst durch eine Thrombose, und einer Herzoperation schwebte er 2004 tagelang zwischen Leben und Tod. Er hat diese prekäre Situation wohl nur überstanden, weil Herz und Kreislauf des einst hervorragenden Zeitfahrers fast 25 Jahre danach der enormen Belastung standhielten. Der Nachfahr einer Nürnberger Patrizierfamilie, deren Wurzeln bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen, träumte von einer Profikarriere. "Ich habe diese Idee aber nicht verwirklicht. Als Spitzenamateur stellte ich mich in unserem Team besser, denn wir diktierten dank unserer harten Vorbereitung und unserer taktischen Möglichkeiten das Geschehen, zumal die Konkurrenz aus Respekt und Furcht vor uns förmlich erstarrte. Im Rennen arbeiteten wir stets zusammen, doch hinter dem Zielstrich ließen wir kaum eine Gelegenheit aus, auch um Kleinigkeiten zu streiten." Burkhardt ergänzt: "Sobald es ums Aufteilen der Prämien ging, waren wir uns aber einig: Jeder bekam sein Drittel auf die Hand."

Als die drei sich 1980 als Mitglieder der RSG Hercules weigerten, statt die Räder des eigenen Sponsors die vom Verband geforderten Peugeot-Maschinen zu steuern, da wurden sie von der Olympiavorbereitung und aus der Nationalmannschaft ausgeschlossen. Was die "Rebellen" nicht hinderte, auch fortan die Konkurrenz in Grund und Boden zu fahren. Dabei ist das Trio, das Nürnberger Sportgeschichte geschrieben hat, heute einer Meinung: "Ohne die Unterstützung solcher Radsportnarren wie Joachim Kröniger, Georg Roth, Paul Arnold, Fritz Körber, Willi Tusch, Fritz Dotzer, Jochen Müller, Ernst Arnold, Herbert Geier und Helmut Möckel wären wir nie so erfolgreich gewesen." 

Nürnberger Nachrichten – Sonntagsblitz 17.04.2011
Text und Foto: Klaus Westermayer


DreiRebellenHP

Die großen Drei aus der Aera der RSG Katzwang und RSG Hercules trafen sich vor kurzem zu einer ausgedehnten Plauderstunde: Dieter Flögel, Friedrich von Loeffelholz und Dieter Burkhardt (von links).