Student und Rad-Weltenbummler

Holger Burkhardt will nach einem Studienjahr nun auch sportlich wieder Gas geben

Viele sind es nicht mehr, aber es gibt sie noch: Junge Nürnberger Sportler, die hart an einer Karriere im Radsport arbeiten. Weil sich Holger Burkhardt aber nicht allein auf seine Fähigkeiten im Rennsattel verlassen will, fährt er zweigleisig und studiert auch noch.


Ziemlich genau vor drei Jahren hat Holger Burkhardt seine Ambitionen im Radrennsport gegenüber den Nürnberger Nachrichten so beschrieben: „Wenn ich es in ein oder zwei Jahren nicht geschafft habe, einen Vertrag bei einem Team der Top-Kategorie zu bekommen, dann will ich studieren.“ 20 Jahre ist der Katzwanger damals alt gewesen und hoffte, über das drittklassige Continental-Team von Milram einmal in die ProTour-Mannschaft des damaligen deutschen Paraderennstalls aufrücken zu können.

Aber der Profi-Radsport in Deutschland, der damals schon auf dem absteigenden Ast war, hat seine Talfahrt nicht stoppen können. Das Team Milram gibt es längst nicht mehr, aber den jungen, inzwischen 23 Jahre alten Radprofi Holger Burkhardt immer noch. Wobei: Als Berufsbezeichnung gibt er lieber Student an, „denn vom Radsport“, sagt er, „kann ich ja nicht leben.“ Burkhardt hat also nach eigener Interpretation seiner sportlichen Laufbahn Wort gehalten. Weil er den Aufstieg in die Top-Etage nicht geschafft hat, schrieb er sich vor zwei Jahren an der Nürnberger Universität ein, um Wirtschaftswissenschaften zu studieren. Drei Semester hat er seitdem absolviert und alle Scheine und Prüfungen soweit abgelegt, dass er sich nun doch wieder mehr auf den Radsport konzentrieren kann.

Denn der junge Mann versucht sich im so schwierigen Spagat, einen zeitintensiven Sport mit dem Studium zu vereinbaren — und fühlt sich gar nicht schlecht dabei. „Manchmal“, erzählt er, „ist es schon hart, wenn man in der Woche 20 bis 30 Stunden trainiert und nebenbei noch lernen und in die Uni gehen muss.“ Vor allem die im Leistungssport so wichtige Regeneration gerät da schnell zu kurz. Aber Burkhardt hat sich jetzt für diesen Weg entschieden und will sich auch nicht davon abbringen lassen.
Lauter feine Radklamotten
Der Rennstall, für den er derzeit fährt, ist als Continental-Team in der Rangliste des internationalen Radsports zwar immer noch drittklassig, aber trotzdem recht gut aufgestellt. Champion System heißt die Truppe, die ihren Sitz in Hongkong hat und hinter der ein großer Produzent für Sportbekleidung steht, der vor allem auf dem asiatischen, aber auch dem US-amerikanischen Markt präsent ist. „Das war Wahnsinn, was wir bei der Einkleidung in Hongkong alles bekommen haben“, schwärmt Burkhardt. Sein ganzer Kleiderschrank sei jetzt voll mit feinen Radklamotten. „Ich glaube nicht, dass man bei einem ProTour-Team recht viel mehr bekommt“, meint er und wirkt schon ein bisschen stolz auf die gute Ausstattung.

Weil aber allein schöne Kleider noch keinen guten Radfahrer machen, haben die 15 Profis von Champion System unter dem Schweizer Teamleiter Markus Kammermann auch ordentlich trainiert. Bekanntester Fahrer der Mannschaft ist der schon 41-jährige Este Jaan Kirsipuu, der in seiner großen Zeit ein gefürchteter Sprinter war. „Der hat immer noch einen gewaltigen Druck in den Beinen“, sagt Burkhardt, der sich im Vorjahr bei einigen Rennen und bei einem zweiwöchigen Trainingslager in Thailand von der Qualität Kirsipuus überzeugen konnte.

Der Nürnberger muss sich darauf einstellen, in den nächsten Jahren zu einem Weltenbummler in Sachen Radsport zu werden. Das Team fährt viele Rennen in Asien und Australien, aber auch die USA und Europa gehören zu den Kontinenten, auf denen der Sponsor sein Logo sehen möchte. Burkhardt hofft, dass er ab Mai richtig in Form ist, denn noch hat er wegen seines Studienjahres leichte Formdefizite. Bei einem Rennen am vergangenen Sonntag in Lugano, das Ivan Basso gewann, hat er gemerkt, wie hart bei den Profis schon im Frühjahr gefahren wird. Aber der junge Sportler neigt nicht dazu, allzu schnell nervös zu werden. Und wenn’s nicht klappt? Dann, so hofft er, hat er in drei Jahren ein abgeschlossenes Studium vorzuweisen.

Thomas Scharrer, Nürnberger Nachrichten, 04.03.2011